Ich fand den verdammt cool!

Guido Schfer, wann haben Sie Vlado Kasalo zum letzten Mal gesehen?Im Frhjahr 1994. Unser Trainer, Josip Kuze, kam in die Kabine und sagte: Der Vlado kommt jetzt nicht mehr.Wussten Sie, was passiert war?Ich habe gehrt, dass er in der Nacht kurz vor einem Bundesligaspiel seine Sachen gepackt hat und einfach abgehauen ist. Ich fand das

Guido Schäfer, wann haben Sie Vlado Kasalo zum letzten Mal gesehen?
Im Früh­jahr 1994. Unser Trainer, Josip Kuze, kam in die Kabine und sagte: Der Vlado kommt jetzt nicht mehr.“
 
Wussten Sie, was pas­siert war?
Ich habe gehört, dass er in der Nacht kurz vor einem Bun­des­li­ga­spiel seine Sachen gepackt hat und ein­fach abge­hauen ist. Ich fand das sehr schade, denn er war in den ein­ein­halb Jahren, in denen er in Mainz war, ein guter Kumpel geworden.
 
Erin­nern Sie sich an Ihre erste Begeg­nung?
Das war im Sommer 1992. Die Kabi­nentür ging auf, und herein kam ein Mann, der kom­plett in Ver­sace gekleidet war. Schon seine Son­nen­brille muss teurer gewesen sein als alles andere in der Kabine.
 
Kasalo war aber kein Unbe­kannter für Sie.
Natür­lich nicht, ich kannte die Geschichten aus seiner Nürn­berger Zeit. Sein Ruf war viel­leicht nicht der beste, doch als Kuze ihn vor­stellte, war das alles ver­gessen. Er schwärmte regel­recht von Kasalo. Mir war er gleich sym­pa­thisch.
 
Was mochten Sie an Kasalo?
Ich fand Typen wie ihn immer schon inter­es­sant. Seine langen Haaren, die modernen Kla­motten und dicken Autos – ver­dammt cool. Wir waren abends oft unter­wegs, in Kneipen und Dis­ko­theken, wo wir nach Frauen Aus­schau gehalten haben. Wir haben einige gute Partys gefeiert.
 
Auch mit den anderen Spie­lern?
Manchmal. Da gab es zum Bei­spiel den Geburtstag von Josip Kuze, bei dem es anfangs ziem­lich gesittet zuging. Als Kuze recht früh­zeitig die Bar ver­ließ, holte Vlado den kroa­ti­schen Schnaps Julicka, raus. Dieses Getränk haben die meisten Spieler über­haupt nicht ver­tragen.
 
Kasalo erzählte, dass Sie sich gegen­seitig mit dem Getränk ein­ge­rieben haben.
(lacht) Ja, und am nächsten Tag rief ich auf der Geschäfts­stelle an und sagte, ich hätte eine Fisch­ver­gif­tung. Dabei hatte ich gar keinen Fisch gegessen.
 
Wie wichtig war Geld für Vlado Kasalo?
Es war immer da. Als wir mal in Berlin gegen Tennis-Borussia gespielt haben, wurde wäh­rend der Partie in der Kabine ein­ge­bro­chen. Nach dem Spiel fragte Kuze, ob jemand was ver­misse. Vlado zeigte auf seine leere Geld­klammer und sagte: Ja, 25.000 Mark!“
 
Wieso hatte er so viel Bar­geld bei sich?
Das war normal bei ihm. Er hat es auch gerne gezeigt. Sowieso waren Sta­tus­sym­bole wichtig für ihn. Manchmal sagte er mitten im Spiel zu seinem Gegen­spieler: Ich habe einen 500er Mer­cedes. Was für ein Auto fährst du?“
 
Und woher hatte er soviel Geld?
Er war Top­ver­diener bei uns und hatte seinen Ver­trag ver­mut­lich wieder clever mit einigen Extras wie dem Mer­cedes aus­ge­zockt. Über alles andere kann man nur spe­ku­lieren. Sicher ist: Geld war für ihn in erster Linie da, um es aus­zu­geben.
 
Hat Ihnen Kasalos ver­ruchtes Image impo­niert?
Ich war ja auch ver­rucht. (lacht) Aber Vlado war eine ganz andere Kate­gorie. Ich erin­nere mich an ein Trai­nings­lager in Ita­lien, als Davor Suker uns besuchte. Die beiden sind shoppen gegangen, und Vlado hat ihm eine Uhr gekauft, die 10.000 Mark gekostet hat. Das fand ich beein­dru­ckend. Danach gingen wir auch häu­figer zusammen ein­kaufen. Einmal haben wir uns Handys für weit über 1000 Mark gekauft. Wir konnten aber nur unter­ein­ander tele­fo­nieren, weil sonst nie­mand in Mainz ein Handy besaß.
 
Sie haben mal gesagt, Kasalo sei in den kroa­ti­schen Bars in Mainz sehr geachtet, wenn nicht sogar gefürchtet gewesen.
Er war ein biss­chen gangster“ – dafür brauchte man keine Phan­tasie.
 
Was heißt das?
Ich glaube, dass er ganz gute Kon­takte in Kreise hatte, die wir nur aus Filmen kannten. Aber er hatte auch eine Gangster-Ehre. Auf Vlado konnte man sich ver­lassen. Er war mir im End­ef­fekt lieber als die ganzen Spießer und Streber, die immer pünkt­lich zum Trai­ning kamen und nur Ja“ und Amen“ gesagt haben.
 
Wie kamen diese Streber denn mit Kasalo zurecht?
Mit Vlado hat sich nie­mand ange­legt. Ich erin­nere mich noch an eine Mann­schafts­sit­zung nach einer Nie­der­lage, wir kämpfen damals wieder mal gegen den Abstieg. Da hat ein neuer Spieler gesagt: Vlado, du kannst dich auch mal mehr anstrengen im Trai­ning.“ Vlado ant­wor­tete: Ich hau dir gleich aufs Maul!“ Ich hätte mich nie getraut, ihn zu kri­ti­sieren.
 
Sie haben also auch nie mit ihm über seine Zeit in Nürn­berg gespro­chen?
Nein. Aber ganz ehr­lich: Mir war das auch egal. Ich mochte ihn, wie er war: witzig und unter­haltsam.
 
Er kam 1992 direkt aus dem kroa­ti­schen Bür­ger­krieg nach Mainz. Haben Sie denn dar­über mit ihm gespro­chen?
Nie. (über­legt) Aller­dings waren wir Zim­mer­nach­barn. Ich erin­nere noch eine sehr schlimme Nacht, als Vlado mitten in der Nacht, gegen 3 Uhr, mit einem Bekannten tele­fo­nierte. Er schrie und fluchte – zwei Stunden lang, auf Kroa­tisch. Ich war ziem­lich sauer und sagte diverse Male, dass er seine ver­dammte Klappe halten solle. Doch er legte immer den Zei­ge­finger auf den Mund. Gegen 5 Uhr war er end­lich fertig. Er sagte: Guido, ein guter Freund von mir ist vorhin im Krieg erschossen worden. Es ist alles scheiße.“
 
Hatte die Kriegs­zeit Spuren bei ihm hin­ter­lassen?
Psy­chisch hat er nichts anmerken lassen. Aber seine Physis war anfangs natür­lich nicht die beste, er hatte ja ein Jahr kein Fuß­ball gespiel. Anfangs hatte er also ein paar Kon­di­ti­ons­pro­bleme, nach zwei Runden um den Platz war er platt. Einmal ist er sogar auf der Mas­sa­ge­liege ein­ge­schlafen – eine halbe Stunde vor Spiel­be­ginn.
 
Er hatte seinen Zenit also über­schritten?
Viel­leicht. Aller­dings hat er sich zurück­ge­kämpft. Er war bald einer unserer besten Männer, ein wahn­sinnig guter Kopf­ball­spieler, ele­gant in der Ball­be­hand­lung und massiv im Zwei­kampf. Wo der hin­trat, wuchs kein Gras mehr.
 
Hätte er mehr aus seiner Kar­riere machen können?
Ich denke ja. Er hat eine Menge Pech gehabt und manchmal viel­leicht die fal­schen Ent­schei­dungen getroffen. Viel­leicht kam er auch zur fal­schen Zeit nach Deutsch­land, denn außer ihm gab es nur maximal drei Aus­länder pro Verein. Er sprach kaum Deutsch und muss sich oft auch alleine gefühlt haben. Den­noch: Er war ein super Typ und genialer Fuß­baller dazu.

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Dieses inter­view erscheint ergän­zend zur großen Heft-Repor­tage Eins, zwei Polizei“, für die wir Vlado Kasalo in Zagreb besucht haben. 11FREUNDE #148 jetzt im Handel oder im App-Store.

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