Der schlimmste Tag meines Lebens

Aki Schmidt, ich habe gehrt, dass Sie von ihrem ersten Training bei Borussia zu Fu nach Hause gegangen sind, weil das Niveau Sie so beeindruckt hatte. Stimmt das? Ja, das stimmt. Ich spielte bei meinem Heimatverein Berghofen in der Jugend, und Borussia hatte bereits ein Auge auf mich geworfen. Also haben die mich als 15-jhrigen

Aki Schmidt, ich habe gehört, dass Sie von ihrem ersten Trai­ning bei Borussia zu Fuß nach Hause gegangen sind, weil das Niveau Sie so beein­druckt hatte. Stimmt das?

Ja, das stimmt. Ich spielte bei meinem Hei­mat­verein Berg­hofen in der Jugend, und Borussia hatte bereits ein Auge auf mich geworfen. Also haben die mich als 15-jäh­rigen ins Auto gepackt und mit zum Trai­ning genommen. Bumbas“ Schmidt trai­nierte den BVB. Ich habe mir das Trai­ning ange­schaut und die Hände über den Kopf zusam­men­ge­schlagen. In dem Moment habe ich erst gemerkt, was Fuß­ball ist: Schnel­lig­keit, Technik, Krea­ti­vität und das Zusam­men­spiel der Mann­schaft. Ich wusste nur, ich muss noch unglaub­lich viel trai­nieren, um da hin zu kommen. Ich bin still und leise abge­hauen und über die Gleise zu Fuß nach Berg­hofen zurück­ge­gangen. Die haben mich gar nicht mehr gesehen.

Wie kam schließ­lich 1956 der Wechsel von Berg­hofen zur großen Borussia zu Stande?

Ich war 20 Jahre alt, mit Berg­hofen zweimal auf­ge­stiegen. Ich habe immer gesagt: Ich muss geholt werden, sonst geht das nicht.“ Dann kam in Berg­hofen Borus­sias Obmann Dolle mit einem schwarzen Opel Kapitän vor­ge­fahren. Berg­hofen war ein Malo­cher­stadt­teil und pri­vate PKWs waren selten, erst recht ein Opel Kapitän. Alle wussten: Jetzt holen sie den Jungen!“ Ich habe bei Borussia sofort in der ersten Mann­schaft gespielt und nach einem halben Jahr wurde ich bereits Natio­nal­spieler.

Woher kam die Auf­stiegs­en­ergie“?

Ich habe als Kind erlebt, wie wir wäh­rend des Krieges in Berg­hofen total aus­ge­bombt wurden. Meine Mutter hatte ein kleines Kolo­ni­al­wa­ren­ge­schäft, das auch weg war. Wir standen mit nichts da, nur mit dem, was wir am Körper hatten. Diese Erfah­rung hat mich unheim­lich geprägt. So wollte ich nie wieder dastehen.

Sie sind in die Mann­schaft gekommen, die 1956 Meister geworden war. Und am Ende Ihrer ersten Saison stand wieder ein End­spiel an…

Das war der schlimmste Tag in meinem Fuß­baller-Leben. Natür­lich habe ich dem End­spiel ent­ge­gen­ge­fie­bert. Am Morgen des Finales kam Trainer Helmut Schneider zu mir ans Bett und teilte mir seine Ent­schei­dung mit, die gleiche Elf vom Vor­jahr auf­laufen zu lassen. Die Tränen liefen ihm dabei her­unter. Da habe ich zu ihm gesagt: Hören Sie auf, Herr Schneider, ich kann das hier nicht ertragen. Wir werden heute gegen den HSV gewinnen, und ich kann nicht mit­helfen. Ich habe meine Koffer schon gepackt und haue ab nach Hause.“ – Das können Sie nicht machen“, sagte er, das ist ein Skandal„ – Nein“, ant­wor­tete ich, der Skandal ist, dass Sie mich nicht auf­stellen!“ Damit war das Gespräch beendet. Am Ende kamen Adi Preißler und Max Mich­allek zu mir und sagten: Junge, du fährst nicht nach Hause und bleibst hier bei uns.“ 

In den letzten Jahren der Ober­liga West bestand die Kon­kur­renz zum 1. FC Köln. Wollte man die Groß­städter vom Rhein beson­ders bügeln?

Wollen ja, aber man konnte es nicht, weil die so stark waren. Der 1. FC war Dank des Prä­si­denten Franz Kremer der modernste Klub der Ober­liga. Er war ein Visionär und seiner Zeit weit voraus. Die sport­liche Qua­lität stimmte, aber der Kölner war gegen­über dem Koh­len­pott“ immer etwas hoch­nä­siger. Die haben uns ein biss­chen von oben herab ange­schaut, und das war im End­spiel 1963 unsere große Moti­va­tion. Wir waren so etwas von heiß und haben 3:1 gewonnen. Die hatten an dem Tag wirk­lich keine Chance gegen uns.

War früher die Iden­ti­fi­ka­tion der Anhänger mit den Ver­einen größer?

Das war etwas anderes als heute. Ich selbst hörte 1949 das End­spiel von Borussia Dort­mund gegen den VfR Mann­heim im Radio. Den Klang des Repor­ters habe ich bis heute im Ohr, und wie Borussia kurz vor Schluss verlor. Ich habe selten geweint im Leben, aber da habe ich ordent­lich geheult. Borussia“ – man hat sich damit iden­ti­fi­ziert. Man kann sich gar nicht mehr vor­stellen, wie die Leute damals für Borussia waren. Mit wem oder was konnten sich die Leute hier iden­ti­fi­zieren? Wir waren immer Koh­len­pott, rich­tige Arbeiter mit Blau­mann an oder Berg­leute von unten. Dieses wir“ zwi­schen Mann­schaft und Zuschauer konnte man manchmal regel­recht greifen, an zau­ber­haften Nächten wie dem legen­dären 5:0 über Ben­fica Lis­sabon. Etwas davon hat sich bis heute ver­erbt. Für so man­chen ist der BVB auch Fami­li­en­ge­schichte. Hier in Dort­mund wird kein Bier mehr gebraut, keine Kohle mehr geholt und die Stahl­werke sind auch nur noch wenige, aber Borussia ist geblieben.

ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeUmr9uv8Kho6KlnajBpnnTmp5mpZWeu6a%2FjKWcm52eqHx2g5Vya20%3D

 Share!